
Heute fliegen dann auch Beá und Patti wieder zurück und ich bleibe allein, abseits von den ganzen Verwandten. So werde ich heute auch an den Sohn der Tante verkauft, weil sie schlecht gleichzeitig mich bespaßen und die anderen beiden zum Flughafen kutschieren kann. Da der Sohn Ricardo keinen Führerschein hat, glaube ich zumindest, fahren wir mit dem roten MetroBus zu unserem Zielort. Die Dinger sind eine Supererfindung. Es sind Busse, fahren allerdings wie Straßenbahnen elektrisch und haben eine eigene Fahrspur, was bei dem Verkehr ein unschlagbares Argument ist. Die Fahrten mit den Öffis sind unglaublich billig, fünf Pesos pro Strecke, egal wie lang, solange du durch kein Drehkreuz gehst, bleibst du im System.

Wir steigen Villa Olympica aus, laufen über die Überführung, links ab und sind schon am Ziel. Heute geht’s zu der vermutlich ältesten Pyramide in Mexiko City: Cuicuilco. Der Eintritt ist frei, man muss allerdings bei der Sicherheit seine Tasche kontrollieren lassen und sich im „Gästebuch“ eintragen. Die Gegend ist wüstenhaft trocken. Die Regenzeit fängt erst ab Mai so langsam wieder an, dafür blühen die Kakteen ganz wundervoll. Auf diese Pyramide darf man sogar hoch steigen, was wir dann auch sogleich machen. Und wenn wir schon hier sind, ja es ist gerade etwas schwitzig, aber ich will noch die Runde ums Gelände gehen und in das kleine Museum. Das ist klein aber fein, leider nur in Spanisch. Die Stätte wurde 300 n.Chr. durch einen Vulkanausbruch des Xilco zerstört. Von hier aus sind alle nach Theotihuacan gezogen, bevor sie nach Tenochtitlán gezogen sind. Völkerwanderung in Mittelamerika.
Wenn man auch der Pyramide steht, nach Süden schaut ist vor dem Gebirgszug am Horizont ein abgeflachter „Hügel“ zu sehen. Er war´s!!!


Ich bin mir nicht so ganz sicher warum, aber alle wollen uns Europäerinnen immer auf irgendwelche Märkte oder in Konsumtempel schleppen. So auch heute. Allerdings gab es da dann auch was zu essen. Auf die Frage, ob ich denn wirklich nicht shoppen wolle und meinem vehementen „Nein“ folgt ein fragender Blick. Ich habe den jungen Mann wohl etwas verunsichert mit meiner direkten Art. Ich glaube, ich habe sein Frauenbild etwas ins Wanken gebracht. Da ich rein alterstechnisch problemlos seine Mutter sein könnte, muss er da jetzt was Neues lernen.
Wir laufen weiter zu einem absoluten Schmuckstück. Versteckt hinter Mauern liegt ein Parque ecologico. Wunderschön angelegt, im Moment etwas vertrocknet, aber ich kann mir lebhaft vorstellen, wie schön das hier zur rechten Jahreszeit ist, wenn es blüht. Es gibt einige Sitzbänke, einige Restaurants und eine alte Dame, die Bücher verkauft. Sie scheint sich selbst eine gute Kundin zu sein, weil sie vertieft ist in ein Buch als wir durch ihr Allerheiliges schlendern. Und – ich finde sogar deutsche Bücher.


Als wir hier durch sind frage ich meinen Begleiter, ob wir denn jetzt Richtung Heimat fahren. Ich habe so langsam den Eindruck, dass ein klares „Nein“ bzw. „wir müssen uns noch ein wenig verlustieren, Mama ist noch nicht so weit“ schwer zu kommunizieren sind. Nach ein wenig Rumgeeier und Telefonat mit der Frau Mama kommt raus, es geht wieder nach Coyoacán, weil da ein toller Markt ist und ein tolles Museum. OK, Lerneffekt in Sachen Markt: null. Ich vertiefe diese Diskussion während wir in den jetzt, weil Rushhour, ultravollen Öffis fahren. Bei einem Umstieg wird mir kurz mulmig, weil mein Begleiter schon im Zug ist, die Türen schließen und ich noch draußen stehe. Ich überlege schon, wie ich wieder zurück komme, aber er wirft sich heroisch zwischen die sich schließenden Türen und ich quetsche mich noch durch.
Als wir an der Haltestelle Coyoacán aussteigen und nach 10 Minuten immer noch unterwegs sind werde ich ein wenig ungeduldig. Ich kann es nicht ausstehen, wenn ich irgendwo rumrenne, ohne zu wissen wo das Ziel so ungefähr wenigstens ist. Nach rund 20 Minuten Fußmarsch erreichen wir dann das Museum.


Es ist das Museum of Popular Cultures und es empfängt uns gleich mit einer Sonderausstellung mit Tonarbeiten, nicht nur Gebrauchsgegenstände, sondern auch interessante Kunstwerke, die modern daherkommen und nicht offensichtlich angelehnt sind an klassische Tonarbeiten. Ich bin versöhnt. Der Eintritt hat nur 20 Pesos gekostet und in dem Museum sind abseits der Sonderausstellung, viele Ausstellungsstücke, die sich mit der traditionellen Bekleidung und dem Herstellen von Kunstgegenständen beschäftigt. Also – meine Kragenweite. Leider hat der Museumshop nichts in englischer Sprache an Buchmaterial zu bieten. Zum Abschluss des Tages gönne ich mir dann doch noch ein Eis, was ist beim letzten Mal hier nicht mehr rein bekommen hätte. Das Maracuja Eis aus dem „Helados Siberia“ ist unbedingt empfehlenswert.
Das war auch faktisch mein Abschlusstag in Mexico City, danach zerlegt es mich in Sachen Moctezumas Rache bis Rückflug.
