Ich habe das große Glück, in einem Bundesland zu arbeiten, in welchem es Bildungsurlaub gibt. Den nehme ich auch in regelmäßigen Abständen und bilde mich fort. Manchmal bleibe ich einfach vor Ort (die Volkshochschulen bieten dahingehend ein gutes, kostengünstiges Programm), oder manchmal zieht es mich auch weiter weg. Ich mag primär Sprachen oder ökologische Themen, aber dieses Mal war leider das Ökothema ausgebucht und es wurde Feminismus (beide Themen sind über www.lohmarerinstitut.de zu finden). Ein für mich eher ungewöhnliches Thema, aber der Ort der Durchführung war einfach unwiderstehlich: Venedig.
Da ich noch nie in Venedig war, habe ich mir vornweg einfach noch drei Tage Zeit genommen, um mir auch die Stadt anzuschauen. Anreise war mit der Bahn. Die Strecke München-Venedig ist ohne Umstieg möglich und wird von der ÖBB (den Österreichern) betrieben. Der Zug ist superpünktlich unterwegs, bis kurz vor Venedig eine Baustelle auf der Strecke meinen super Zeitplan durcheinanderwirbelt. Jetzt komme ich doch in der Dunkelheit an, was ich an sich vermeiden wollte. Aus dem Bahnhof raus sind auch gleich die Vaporetti, die „Busse“ Venedigs. Venedig Insel ist – bis auf einen kleinen Teil – autofrei. Vor lauter Gucken und Schauen steige ich zwar in dem richtigen Vaporetto, aber in die falsche Richtung. Das ist an sich unschädlich, weil es eine Rundtour ist, nur bin ich alles andere als seefest und halte Aufenthalte auf Booten möglichst kurz. Venedig ist somit sozusagen nicht mein natürliches Biotop.

Irgendwann komme ich dann doch an meinem Ausstieg an und mache mich auf die Suche nach meinem Hotel, dem „Locanda Canal“ (https://locandacanal.com/). Locanda bedeutet auf Italienisch Gasthof und es sind eher einfache Hotels darunter zu verstehen. Und mein Locanda liegt auch direkt an einem kleinen Kanal, wie so ziemlich alles in Venedig. Durch die späte Ankunft ist niemand mehr an der Rezeption und ich bekomme meinen Eintritt mit einem Code. Die Zimmernummer wurde mir vorab per Whatsapp mitgeteilt und der Schlüssel hängt hinter der Rezeption. Enge Stufen führen mich zu meinem Zimmer. Ich habe Glück und bin „Besitzer“ eines Winzbalkons. Mit Aussicht auf den kleinen Kanal. Wunderschön!
Zum Glück essen die Italiener eher spät zu Abend, so habe ich noch eine Chance etwas zu bekommen. Also Koffer ins Zimmer und gleich weiter auf der Suche nach etwas zu essen. Auf meinem Marsch zum Hotel bin ich an einem kleinen Platz vorbeigekommen, an dem einige Restaurants waren und ich finde ihn sogar wieder. In einer kleinen Pizza (www.aciugheta.com) finde ich noch ein Plätzchen.
Den Abend beende ich, wie wir Deutschen Italien interpretieren, mit einer Pizza und einem Glas Rotwein.


Der nächste Tag ist erst einmal den klassischen Sehenswürdigkeiten gewidmet, von denen ich fast alle vorab gebucht habe. Der Dogenpalast, der Markusdom, die Piazza San Marco und, noch ein Tipp von einer Freundin, das Fondaco dei Tedeschi (ein Luxuskaufhaus) mit seiner Aussichtsplattform (leider mittlerweile geschlossen, weil pleite). Ich hatte die Eintrittskarten für die bekannten Sehenswürdigkeiten mit Fast Lane Zugang über GetYourGuide gekauft. Da bezahlt man zwar mehr, aber man muss nicht groß anstehen. Ich bin bereits um 09:00 Uhr am Dogenpalast, gleichzeitig mit der Öffnung, und es ist schon eine Schlange am Schalter. Und das im März, an sich keiner der Monate, in denen Venedig überlaufen ist und es liegt auch nur ein Luxusliner vor Anker. Ich kann es nicht einschätzen, ob sich die Fast Lane Tickets in der Hochsaison auch noch lohnen, weil ich befürchte, da steht man trotzdem ziemlich lange an.

Der Dogenpalast war praktisch das Regierungsgebäude der Dogen. Die Dogen waren faktisch die Herrscher Venedigs. Offiziell gehörte Venedig zwar dem jeweiligen für die Gegend herrschenden König oder Kaiser und war religiös Rom unterstellt, aber aufgrund der Geschichte war man eher der oströmischen Kirche und damit Byzanz zugeneigt. Und das merkt man an allen Ecken und Enden in Venedig, was für mich auch die Faszination dieser Stadt ausmacht.
Venedig war bereits im 15 Jhd. mit einer dreigliedrigen Gerichtsbarkeit ausgestattet, die Dogen wurden auf Lebenszeit von den anderen „Fürsten“ benannt, man durfte nicht dem geistlichen Stand angehören und vererben des Titels wurde bereits im 11 Jhd. verboten. Alles Unarten, die außerhalb Venedigs an der Tagesordnung waren.

Aber zurück zum Besichtigungsprogramm. 🙂 Nach dem Dogenpalast habe ich noch ausreichend Zeit bis zu meinem Slot im Markusdom. Einen Kaffee und einen Blick in den Reiseführer später steige ich ins Vaporetto nach San Giorgio Maggiore. Das ist eine kleine Insel direkt gegenüber. Hier befindet sich eine Kirche und auf den Glockenturm kann man mit dem Aufzug (!) für unschlagbare acht Euro (für Venedig ist das unfassbar günstig) hochfahren. Der Blick auf das gegenüberliegende Ensemble mit San Marco ist bombastisch, wenn, wie bei mir heute, das Wetter so sonnig ist. Die Kirche selbst ist mit Kunstwerken und schönen Skulpturen ausgestattet.


Zurück auf der Hauptinsel ist es auch schon Zeit mich anzustellen für den Markusdom. Und da bin ich das zweite Mal hin und weg an diesem Tag des Hin- und Wegseins (passiert mir heute noch öfter). Der Markusdom ist ein unfassbar faszinierendes Beispiel einer byzantinischen Kirche. Ich war schon in unendlich vielen Gotteshäusern auf allen Kontinenten dieser Welt unterwegs (obgleich ich in keinster Weise religiös bin) und diese Kirche erinnert mich von der Art der Anordnung und des Innenausbaus (welch unpassend technisches Wort für dieses Kunstwerk) an Gotteshäuser im Nahen und Mittleren Osten. Diese Mosaiken an Wänden und an den Decken, die aussehen wie Gemälde, so kleinteilig sind die Mosaiksteine, diese geometrisch kunstvollen Bodenbeläge aus Marmor, die Kapitelle, die Skulpturen – ich bin beeindruckt!
Nur …. alles kostet extra, der Blick auf den Hochaltar, zu den berühmten Pferden …… und die Zeit des Besuchs ist aufgrund der schieren Menge an Besuchern begrenzt. Ich beschließe sehr schnell, dass ich mir das nochmal anschauen muss.


Draußen muss ich mich erst einmal setzen und das Gesehene verarbeiten. Mittlerweile ist es früher Nachmittag und die Schlangen sind lang vor den Sehenswürdigkeiten. Mein nächster geplanter Halt ist die Aussichtsplattform im Fondaco dei Tedeschi. Ich mache mich auf den Weg durch den Stadtteil San Marco, den zentralen Stadtteil der Sehenswürdigkeiten, zur Rialtobrücke – und komme prompt an einem interessant aussehenden Restaurant vorbei, was nicht weit von meiner Unterkunft entfernt ist. Das Ai Tre Leoni (www.anticaosteriaaitreleoni.it) sieht von außen gut aus, die Karte liest sich sehr gut, also gleich für den Abend einen Tisch reserviert. Weiter geht es durch den Stadtteil, der das religiöse und politische Zentrum Venedigs dargestellt hat. Allein hier gibt es 5500 Häuser (lt. Wikipedia) und alle gehen in die Höhe, da auf einer Insel naturgemäß der Platz begrenzt ist. Wieder so ein faszinierendes Detail von Venedig: Fast alle Häuser hier sind alt, sehr alt. Viele stehen seit ihrem Baubeginn im 15./16. Jhd. da, immer mal wieder renoviert, erweitert oder erhöht, aber grundsätzlich so wie es mal war. Venedig wurde nie geschliffen, im Krieg (und das nach Absprache mit Hitler-Deutschland) nicht mit Bomben angegriffen und wirkliche Großbrände gab es auch nie.

Die öffentlichen Brunnen gibt es überall in Venedig. Oft auf den kleinen Plätzen, die allgegenwärtig sind. Man kann das Wasser aus diesen Brunnen beruhigt trinken.
Bald erreiche ich die Rialtobrücke und das Fondaco dei Tedeschi, das alte Handelshaus der Deutschen, wo ich einen Termin für die Aussichtsplattform ergattert habe. Der Besuch ist umsonst, anmelden muss man sich aber trotzdem. Ich bin viel zu früh, also schlendere ich noch ein wenig in der Gegend herum und entdecke vor einem Eisladen eine irre lange Schlange mit lauter Asiaten. Fest nach dem Vorsatz, so viele Menschen können nicht irren, stelle ich mich an und esse das zweite Eis des Tages in der Gelateria Suso (www.suso.gelatoteca.it). Es ist wirklich gut, mit ungewöhnlichen Sorten.

Danach gehe ich zu meinem Besichtigungstermin und habe das Glück, dass die Sonne am Untergehen ist und die Stimmung dementsprechend. Außerdem ist es kurz vor 18 Uhr und die Glocken von Venedig fangen an zu läuten (und Venedig hat unfassbar viele Kirchen). Nachdem ich meine 15 Minuten mit Fotografieren verbracht habe, mache ich mich auf zum Hotel.


Nach einem kurzen Stopp hier geht es zur Osteria Ai Tre Leoni. Hier gibt es nicht die Touristenessen, sondern gute italienische Küche. Ich entscheide mich auch sofort für Ravioli gefüllt mit einem Ragù aus Kaninchen und Huhn – auch Bolognese ist ein Ragù, so wird fast alles genannt, was eine Soße mit Fleisch ist. Dazu einen Salat. In Italien ist es gängig, vier Gänge zu essen. Zuerst die Antipasti, was die Vorspeise darstellt, dann die Primo Piatto, das was wir normalerweise als italienischen Hauptgang essen, also Nudeln oder Risotto, dann die Secondo Piatto mit Fisch oder Fleisch und danach noch die Dolci, also das Süße. Mir ist das immer viel zu viel, vor allem am Abend, aber in Venedig ist man die Marotten der Touristen gewohnt. Mein Essen ist extrem schmackhaft und somit, wenn ich mal wieder nach Venedig komme (und das ist mal for sure), dann gehe ich wieder in dieses Restaurant.
Insgesamt ein irrer voller, abwechslungsreicher, informativer Tag geht dem Ende entgegen und ich falle in mein Bett wie erschossen.