Almograve – Zambujeira do Mar
Gesamtkilometer: 21,4 Gesamtanstieg: 200hm Gesamtabstieg: 200hm
Der morgendliche Blick aus dem Fenster offenbart ein anderes Bild als die Wetterapp prophezeit hat. Es regnet. Schon wieder. Die Schuhe sind von gestern noch tropfend nass, die Jacke ebenso. Die Nacht hat nicht ausgereicht, um alles zu trocknen. Puhhh.
Aber Angst vor dem Feind gibt es nicht. Also kommen die Sandalen, die ich als Notnagel mit dabeihabe, zum Einsatz. Und da es ohnehin schon wieder regnet, die Jacke wird schon wieder nass werden.
Nach einem Frühstück im Almograve Beach Hostel geht es weiter den Fischerweg entlang. Kurz durch die Stadt, dann links ab über einen Fahrweg leicht bergab entlang der Küste. Auch hier gibt es Tafeln am Rand des Weges, die dich zu sportlichen Betätigungen einladen.

Nach rund drei Kilometern biegt der Weg dann links ab, wieder auf einen schmalen rot-sandigen Pfad. Nun machen sich die Nachteile von Sandalen und nassem Sand erstmals bemerkbar. Der feuchte Sand haftet wunderbar an den nackten Füßen, aber es ist aushaltbar. Zwischen Dünen hindurch folgt der Weg wieder direkt entlang der Steilküste. Der Regen verdirbt den Blick leider – der wäre mit Sicherheit spektakulär. Die roten Dünen, das dunkelblaue Meer und dann auch noch blauer Himmel, es wäre schier nicht zu toppen, wenn es denn so wäre. Aber – roter Sand und dunkelgraues Meer und ein Hauch hellerer Himmel begleiten meinen Weg bis zu einem kleinen Kiefernwald. Nachdem man den durchquert hat, wechselt die Farbe des Sandes in ein eher helleres Braun.


Nach rund zehn Kilometern kommt ein Dorf in Sicht. In der Mitte des Dorfes ist ein Café, in dem sich alle Wanderer treffen. Ich bin schon wieder patschnass und überlege ernsthaft abzubrechen. Wir sitzen alle wie nasse Katzen über unseren Heißgetränken und brüten, jeder für sich, vor sich hin. Die Deutsche von heute Nacht hatte den Tag gestern schon mit dem Taxi überbrückt und will auf jeden Fall weiterlaufen. Der Österreicher ist eh hart im Nehmen und läuft weiter. Da will ich mich halt auch nicht lumpen lassen und entscheide mich dazu, dem Tag noch eine Chance zu geben. Also bestelle ich mir zuckerhaltige Lebensmittel in Form von einer portugiesischen Pasteis de Nata, welche lecker gefüllt sind mit Vanillepudding. Wer das noch nicht kennt, unbedingt probieren! Dazu ein Schokocroissant und eine heiße Schokolade, denn Zucker macht glücklich und ich brauche davon gerade eine kleine Überdosis.
Das ist der Punkt, an dem mir das erste Mal richtig klar wird: Langstreckenwandern hat weniger mit körperlicher Fitness zu tun als mit Durchhaltewillen, auch und gerade wenn es mal nicht so richtig gut läuft. Zumal wenn man allein unterwegs ist und niemanden an seiner Seite hat, der einen „zieht“.


Nachdem ich mich dermaßen gestärkt und Socken in meine Sandalen gezogen habe (weil sich die erste Blase ankündigt – sehr sexy), geht es weiter, immer weiter den Weg entlang. Kurz nach Ende des Dorfes kommt ein schöner Leuchtturm in Sicht und ein schön angelegtes Erholungsgebiet mit Infotafeln zur Gegend und – die ersten Storchennester mit Belegung. Das Erste, was ich höre, ist das typische Klappern und dann, etwas abseits des Pfades, kommt es in Sicht. Mitten auf einer Felsansammlung im Meer sitzen die beiden Störche und klappern sich was vor.
Vielleicht ist es der Zucker, vielleicht ist es der Anblick der Störche oder der Weg, der jetzt wieder einfacher zu gehen ist – meine Laune ist wieder da, wo sie hingehört und ich laufe beschwingt weiter. Und ich treffe auch noch drei Amerikanerinnen auf dem Weg, die Welt ist gut vertreten auf dem Fischerweg.
Die Storchennester werden häufiger und es kommt doch tatsächlich noch die Sonne heraus, na zumindest so teilweise. Die Störche selbst sind in größeren Schwärmen unterwegs auf Futtersuche. Sie lassen sich vom Wind treiben und nutzen den Auftrieb, den die Sonne ihnen bietet. Sie fliegen majestätisch in geringer Höhe über mich hinweg. Welch ein Anblick!

Nach rund 16 Kilometern verlaufe ich mich das erste Mal auf dem Weg, vermutlich weil ich laufend die Augen im Himmel bei den Störchen habe. Schnell ist der Weg wieder gefunden und es geht steil bergab über eine Treppe zur nächsten Bucht, in der ein kleines Dorf liegt. Wie jedes Mal geht es auf der anderen Seite dann wieder bergauf und gerade als ein Wolkenbruch niederkommt, bin ich an einer überdachten Bushaltestelle.
Ab hier wird der Weg für die nächsten drei Kilometer sehr langweilig, weil es entlang einer schnurgeraden Straße ins Landesinnere geht. Hier muss man dann ein wenig aufpassen, weil man sieht, Zambujeira schon vorn liegen, aber der Weg biegt nochmals rechts ab. Und den Abzweig sollte man wirklich machen, denn es sieht toll aus. Jetzt mit Sonne, roter Sand, dunkelblaues Meer, mit kleinen weißen Wolken gesprenkelter Himmel. Sehr hübsch und spektakulär kitschig.

Leider werde ich an dieser Stelle Opfer eines heimtückischen Angriffs. Eine Wespe ist der Meinung, sie müsste mich angreifen. Der Kampf geht für mich mit zwei Stichen und für sie mit dem Tod zu Ende. Zum Glück ist der Ort in Sichtweite und meine Unterkunft, das Hotel Ondazul, nur noch einen Katzensprung entfernt.
Als Abschluss für diese abenteuerliche Etappe gönne ich mir einen Restaurantbesuch im
Marisqueira Costa Alentejana. Ein echter Lichtblick. Zum Glück hatten sie für mich eine Person noch ein Plätzchen. Ich gehe davon aus, dass man ansonsten reservieren muss.
Sehr gute Meeresfrüchtekarte und, für meine Begriffe, zu einem guten Preis-Leistungsverhältnis. Ich hatte Wolfsbarsch mit einer halben Languste (nebst Salat und Pommes), Wasser, ein Glas Wein und auch noch einen Nachtisch für gerade mal 30 Euro.
So hat der Tag noch ein gutes Ende gefunden.
Zusatz: Ursächlich wollte ich in diesem Urlaub den Weg noch eine Etappe länger wandern. Aber was ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Offensichtlich bin ich mit Wespengift nicht so gut kompatibel. Die Nacht war dann geprägt von Schüttelfrost und somit habe ich entschieden, es gut sein zu lassen und lieber einen Ruhetag einzulegen, bevor es zurück geht. Auf die Art habe ich noch ein zweites leckeres Fischrestaurant in Zambujeira entdeckt, nämlich das Sol Dourado in der gleichen Straße schräg gegenüber vom Marisqueira. Das wäre dann bei meiner Empfehlung die Nummer zwei.
Jetzt im Jahr 2024 im Oktober werde ich die Strecke weiterwandern. Bis dahin!

